1880, Briefe 1–73
42. An Elisabeth Nietzsche in Naumburg (Postkarte)
<Marienbad, 19. Juli 1880>
Meine gute liebe Schwester, Dein vergnügter blauer Brief ist mir ordentlich gut bekommen: Tags darauf hatte ich den besten Tag bisher. Jetzt haben wir im Hause Trübsal, der Besitzer ist plötzlich ins Gefängniß geschafft worden, Gensdarmen kamen und gruben eine Druckmaschine für falsche Banknoten aus, Haussuchung und viel Jammer hinterdrein. Die arme Frau ist seit 3 Tagen in der vollsten und tiefsten Verzweiflung. Wie ich gesagt habe: im nächsten Monat will ich nach Ruhla, hoffentlich sind die Wälder dort so gut als hier. Aber hier zu bleiben auf die Dauer — für mich geht es nicht. Für einen Gulden kann ich mich hier nicht satt essen. Alles ist 3—5 mal so theuer als in Venedig. Der Sommer ist, merke ich, doch meine beste Zeit. In Ruhla sehen wir uns? Die herzlichsten Grüße unsrer guten Mutter