1879, Briefe 790–922
799. An Heinrich Köselitz in Florenz
Basel, Bachlettenstrasse 11.<22. Januar 1879>
Lieber lieber Freund, so geht es wieder hin und her, zwischen Ihnen und mir, zu meiner allergrößten Freude — die so groß ist, daß ich alle Augenblicke die Größe Ihrer Bemühung vergesse, welche Sie sich wieder meinetwegen auf den Hals geladen haben, Sie Guter! Wenigstens hoffe ich Sie mit meinen Einfällen zu unterhalten — ich glaube, was in diesem Anhange zusammensteht, ist nichts Schlechtes: es wurde größten Theils in einer Höhe von 7200 Fuß über dem Meeresspiegel erdacht und niedergeschrieben. Vielleicht ist es das einzige Buch der Welt, das eine so hohe Abkunft hat. — Nun dürfen Sie spotten! — — — —
Meine Gesundheit ist abscheulich — schmerzenreich, wie früher, mein Leben viel strenger und einsamer; ich selber im Ganzen lebe fast wie ein ganzer Heiliger, aber fast mit den Gesinnungen des ganzen ächten Epikur — sehr seelenruhig und geduldig und dem Leben doch mit Freude zusehend.
Ich weiß es, daß Leopardi in Betreff der Schmerzhaftigkeit es nicht schlimmer gehabt hat als ich es habe. Trotzdem! —
Aber Briefe darf, kann, will ich nicht mehr schreiben. Ich liebe und verehre alles, was von Ihnen kommt, mein trefflicher Freund — und Sie deuten mein Schweigen immer ins Gute. —
Also in Venedig, ungefähr den 22 März des Jahres — so hoffe ich — auf Wiedersehen.
Treulich
F N.