1860, Briefe 124–201
193. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 25. November 1860>
Liebe Mamma!
Heute am lieben Todtenfeste habe ich mehr als sonst an euch gedacht und gewünscht mit euch zusammen dieses Fest zu feiern. Für deinen lieben Brief danke ich dir vielmal; er war so ganz aus meiner Seele geschrieben und erinnerte mich so lebhaft an unsre lieben Todten. Gestern um 6 Uhr beim Läuten der Glocken dachte ich sehr an euch und die Stunden, die wir in frühern Jahren zusammen verlebt haben. Den Abend wurde das Ecce gesungen und der Lebenslauf der gestorbenen frühern Pförtner vorgelesen. Darunter war auch der Medizinalrath Stapff, dessen sehr lobend gedacht wurde. die Feierlichkeit beschloß dann Prof. Buchbinder mit einer Rede. —
Wir haben uns doch unendliche Zeit nicht gesehn; nun ich hoffe sehr auf nächsten Sonntag, wo Schenk und ich nach Almrich kommen werden. Er ist wieder völlig gesund, er scheint sich aber in Pforta nicht wohl zu befinden, vielleicht auch, weil er noch etwas zu sehr an der Pflegung seines Magens hängt. So wenigstens scheint es mir. Ich sende auch meine Wäsche wieder hinein. Ich habe sehr viel zu thun und komme aus den Arbeiten nicht heraus. Wenn nur erst die schönen Weihnachtstage da wären, auf die ich mich so sehr freue! Grüße Lisbeth vielemal von mir. Ich habe sie so lang nicht gesehn.
D<ein> FWNietzsche.
Meine Hosen folgen.