1860, Briefe 124–201
163. An Franziska Nietzsche in Pobles
Sonnabend. (Naumburg, 4. August 1860)
Liebe, liebe Mamma!
Ich danke dir vielemal für den lieben Brief, den ich sehr sehnlich erwartet hatte. Ich wäre auch gar zu gern noch einmal nach Pobles gekommen, aber Sonntag konnte der Onkel nicht, Montag u.sw. Regen, so daß <wir> wie sehr wirs auch wollten nicht dazu gekommen sind. Ich habe immer gedacht, du würdest noch einmal nach Naumburg kommen, bevor ich nach Pforta ging, aber ich habe vergebens gewartet. Heute habe ich nun den Koffer gepackt, da die Kiste nicht da war, und heute Abend gehe ich wieder heraus. Es ist mir etwas traurig zu Muthe, wie man sich denken kann. Bei Pinders habe ich sehr hübsche Tage verlebt, mit Wilhelm und Gustav Parthien gemacht, Abends auf der Vogelwiese gewesen usw. Lisbeth hat bei dem Schießen recht viel Glück gehabt; Sophie hat für sie geschossen und einen Kandel, eine schwarze Schnur und fleur d’animée (mir ein unklarer Begriff) <gewonnen>. Grüße sie viele mal von mir. Will sie nicht bald nach Naumburg kommen? Auch Pinders lassen dich und Lisbeth vielemal grüßen. — Komme doch ja recht bald nach Naumburg; denn ich weiß nicht, was mit der Wäsche werden soll. Daß du Sonntag nicht da bist und beim Bergtag der bald sein wird, thut mir gleichfalls sehr leid. Ihr lebt jetzt wohl sehr in Trubel; willst du denn mit nach Maßnitz oder kommst du gleich nach Naumburg? Mir wäre es doch sehr lieb wenn du sobald als möglich kämest, da ich gar nicht weiß, an wen ich mich wenden soll und doch so mancherlei brauche. Sonst habe ich nicht viel dir mitzutheilen meine liebe Mamma, der Onkel wird dir schon heute erzählen. Grüße die liebe, liebe Großmamma vielemal von mir wie auch die lieben Onkels und Tanten, denke recht oft an mich, schreibe und komme recht bald nach Naumburg.
Dein dich innig liebender
FWNietzsche