1878, Briefe 675–789a
725. An Malwida von Meysenbug in Rom (Postkarte)
<Basel, 11. Juni 1878>
Wer hat denn am 30t. Mai an mich gedacht? Es kamen zwei sehr schöne Briefe (von Köselitz und Rée) — und dann noch etwas Schöneres: ich war ganz ergriffen — — das Schicksal des Mannes, über den es auch nach 100 Jahren nur Partei-Urtheile giebt, stand mir als furchtbares Symbol vor Augen: gegen die Befreier des Geistes sind die Menschen am unversöhnlichs<t>en im Haß, am ungerechtesten in Liebe. Trotzdem: ich will stille meinen Weg gehen und auf alles verzichten, was mich daran hindern könnte. Die Krisis des Lebens ist da: hätte ich nicht das Gefühl der übergroßen Fruchtbarkeit meiner neuen Philosophie, so könnte mir wohl schauerlich einsam zu Muthe werden. Aber ich bin mit mir einig. — Mit Sorrent ist nun für uns das Bild des guten A<lbert> Br<enner> für immer verknüpft; rührend und melancholisch — das Grab des Jungen-Alten in dieser ewig jugendlichen heiteren Welt. — Von ganzem Herzen Ihnen gut und zugethan
F. N.