1863, Briefe 340–403
387. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Pforta, vermutlich 13. Oktober 1863>
Liebe Mamma.
Ob ich gleich nicht weiß, ob du schon wieder zurück von deiner Reise bist, schreibe ich, wenn ich schon nicht gerade etwas wichtiges zu schreiben habe. Soviel ich weiß — ich glaube mich nicht zu irren — feire ich nächsten Donnerstag, wo wir einen rechten Arbeit- und Mühereichen Lektionstag haben, mein Geburtsfest. Daß wir uns sehn, ist also für diesen Tag unmöglich. Aber Sonntag darauf hoffe ich, daß wir uns in Almrich sehn. Spaziergang ist von ¼3 bis ¼5 Uhr.
Vorigen Sonntag war heiliges Abendmahl, und wir hatten darum keinen Spaziergang. Es würde mir Leid thun, wenn ihr mich erwartet hättet.
Sonnabend habe ich die alten Geheimrath Backs in Kösen besucht; die alten Leute waren sehr freundlich. Ich habe immer sehr viel zu arbeiten. Die Folge davon, daß man in einer neuen Klasse ist. Gestern waren wir mit dem H. Rektor auf den Saalhäusern. Wir gingen dann über die Berge und Kösen zurück.
Daß ich mich recht über die Verlobung d. D. Heinze gefreut habe, ganz natürlich; wenn Lisbeth einmal Claire sieht, so mag sie ihr meine Glückwünsche und meine Freude recht schön aussprechen. Wäre ich in Naumburg, würd ich’s selber thun. Wie ich jetzt eben höre, ist Prof. Heinze mit Braut eben in Pforta und stellt sich den einzelnen Familien vor. Ich kann leider die Stube nicht verlassen.
Wann reist ihr denn nach Gorenzen ab? Und wie ist es mit den Engländern geworden? Schreibt mir doch zu meinem Geburtstag einen recht ausführlichen Brief, ich freue mich so darüber. — Nächsten Montag ist unser Aktus zur fünfzigjähr. Feier der Leipziger Schlacht. Ich mag diesmal kein Gedicht vortragen.
Hoffmann v. Fallersleben ist seit ein paar Tagen in Pforta, zum Besuch bei Prof. Steinhart. Heute wohnte er der Chorsingstunde bei, wir sangen mehere von ihm gedichtete Lieder.
Das ist alles, was zu erwähnen wäre. Schließlich habe ich keine Handtücher, sendet mir doch welche. Die Rechnung beträgt etwas über 9 Thl. was dich freuen wird.
Nun liebe Mamma und Lisbeth!
Adieu!
Euer Frédéric