1863, Briefe 340–403
370. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Plauen i.V., 22. Juli 1863>
Liebe Mamma.
Denkst Du, daß ich dich mit einer langweiligen Reisebeschreibung heimsuchen werde? Nein. Ich verspare mir alles auf mündlich Erzählen. Bis jetzt habe ich alles so erlebt, wie Ihr es Euch denken könnt und habe mich sehr wohl und heiter befunden. Die lieben Tanten thun alles für mich und ich lebe sehr gemächlich, habe oben zwei Stubn zu meiner Verfügung, esse gut, mache viel Besuche usw. Bin viel bei der Anna, habe auch gestern dort gegessen, bin auch bei Brückners gewesen. Allseitige Grüße und Bedauern, weshalb Du nicht mitgekommen.
Onkel Theodor ist sehr krank, schleichendes Nervenfieber wahrscheinlich, hat Fieber, Schmerz in der linken Seite, daß er sich nicht im Bett bewegen kann, die Leber ist krank. Wir sind alle sehr besorgt. Onkel Hermann ist Montag abgereist; von Apolda aus will er Donnerstags nach Hamburg zur großen Ausstellung.
Morgen reise ich fort zu Fuß, über Oelsnitz, Triebel, Elster, Asch usw. Geld habe ich nicht mehr als Du mir gegeben. Hilft nichts, wird trotzdem gereist. Die Hand noch nicht aufgethan. Ich lebe wirklich sehr fidel.
Heute geht es zu Adolfs, zur Helene, zur Ottilie und Abends noch zur Anna, wenn ich nicht Abends zu Brückners eingeladen werde.
Wichmanns ziehn bald in ihr drittes Logis; Du kennst es, das prachtvolle Eckhaus, wo Markgrafs drin wohnten, ich habe es mir neulich im Innern genau angesehn. Es ist hier wohl immer noch das schönste Haus. Kostet 140 Th. Miethe, ihr jetziges 170 Thl; doch ist es nicht sehr geräumig und alle freuen sich sehr auf das neue, sehr geräumige Logis.
Wenn ich wieder zurückkomme? Weiß ich gar nicht. Etwa 6, 7 Tage reise ich, dann bleibe ich noch 2 Tage circa in Plauen und komme zurück. Auf glücklich Wiedersehn! Grüß Lisbeth recht schön. Die nun bald verreisen wird nach dem tristen Sangerhausen. Möchte nicht eben mit.
Sind Briefe an mich da? Laßt sie ruhig unerbrochen liegen. Steht per expr. drauf, schickt sie mir nach Plauen.
Nun nochmals Adieu! Denkt Ihr viel an mich? Ich sehr oft an Euch. Ihr werdet immer denken können, wo ich gerade bin.
(Wenn nur mehr Geld!)
Euer Fritz.