1863, Briefe 340–403
356. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 17. Mai 1863>
Liebe Mamma.
Heute, Sonntag, schreibe ich Euch wieder, da ich mich wohler fühle und morgen, falls es da noch besser geht, herüberzugehn gedenke. Ich bin die letzte Zeit sehr verdrießlich gewesen, da ich gar keine Änderung meines Zustandes wahrnahm und doch mit Pillen und Oeleinreibungen gequält war. Noch gestern Nacht hatte ich zwei Stunden lang den fatalsten Hustenanfall mit Schnupfen und fließenden Augen. Heute ist die Heiserkeit geringer, doch noch Schnupfen blieb zurück.
Das Wetter ist auch so schön, ich sehne mich weg von dieser traurigen Stube, habe auch gar keine Zeit hier zu liegen; Arbeiten von allen Seiten, die drängendsten. Ich habe gegenwärtig große Lust, die Hundstagferien mit Studien hinzubringen; ja ich sehne mich gewissermaßen darnach. Natürlich in Naumburg; Gustav ist wahrscheinlich allein zu Hause, da Krugs verreisen. Ich habe so viel noch zu thun, daß ich die Ferien dazu brauchen muß. Und alles bis Michaelis.
Das Interesse von Pforta haftet ausschließlich am Pfortaer Schulfest. Die Erwartungen sind die größten, auch für die Damen, da ungefähr 30—50 Offiz. zu erwarten sind. Das Berliner Comité steht über die Anordnungen in fortwährendem Briefwechsel mit dem unsrigen; es besteht aus 12 Mann, Ranke, Lepsius, Ehrenberg und andre Capacitäten an der Spitze. Es werden Alle persönlich angemeldet; einige Abgeordnete, auch Schulze-Delitzsch werden kommen. Das Diner am ersten Tag hat Teichgräber, das des zweiten Eisentraut; es wird auf 200— 400 Personen gerechnet. Im Turnsal ist das Essen, vorher der Aktus, an dem Stöckert eine deutsche Rede halten wird, famos, sag ich euch. Ihr müßt auch dazu heraus. Bewerbt euch bald um Einladungen, es ist hohe Zeit. Am zweiten Tag ist Bergtag, darnach vielleicht Ball. Geld wird die Geschichte kosten, auch den Alumnen. Aber es wird sehr lustig, wofern alles gut abläuft und man sich überhaupt amusiren will. Ungelegen ist mir’s nur, weil’s mir noch mehr Zeit zum Arbeiten wegnimmt.
Nun lebt allesammt recht wohl! Schreib mir recht bald, liebe Mamma, auch meine letzten Zeilen harren noch auf eine Antwort. Adieu!
Fritz.