1867, Briefe 535–558
547. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Leipzig, 6. August 1867>
Liebe Mama und Lisbeth,
es ist sehr leicht möglich, daß dieser Brief in Naumburg etwas warten wird, bis Ihr wieder in unsre stille Klause eingekehrt seid. Wenn es so kommt, so findet Ihr außer dem Brief auch noch ungeheure Kisten und Kasten vor, alles Zeichen meiner Existenz, Vorboten meiner Ankunft. Es ist sehr unrathsam, diese besagten Kisten aufzumachen, bis ich ankomme. Also bitte laßt sie stehen, wie sie sind.
Morgen oder in den nächsten Tagen reisen wir ab. Wir machen uns auf tüchtige Fußtouren gefaßt. Seltsamer Weise kann ich noch nicht einmal heute genau sagen, wohin uns die Reise führt. Es hängt von einer seltsamen Verkettung von Rücksichten und Neigungen ab, ob wir nach Salzburg und München oder in den böhmischen Wald gelangen. Schließlich kommt nicht sehr viel darauf an.
Ich nehme nichts weiter mit als zwo (oder 3) Hemden, 2 Paar Strümpfe, meinen dunklen Anzug, das Plaid. Sodann habe ich mir massive doppelsohlige Stiefeln und einen Ziegenhainer angeschafft. Es verlangt mich sehr nach Wald und Berg, nachdem derartige Bedürfnisse durch einen 2jährigen Aufenthalt in Leipzig künstlich aufgestaucht und somit sehr stark geworden sind.
Sehr angenehm soll dann unser Zusammenleben in Naumburg werden. Sicherlich werde ich Euch manches zu erzählen haben. Richtet Euch nur ungefähr darauf ein, daß ich in den letzten Tagen des Monates August bei Euch eintreffe.
Wenn wir nur einen Weg finden, die Militärangelegenheit günstig abzuwickeln. Ich habe dazu zunächst keine Zeit.
Meine betr. Arbeit ist am letzten des vorigen Monates abgegeben. Sie hat mir in der letzten Zeit rechte Mühe gemacht. Stoff für neue habe ich in reicher Fülle.
Die letzten Tage waren sehr angenehm. Lauter Abschiedsfeste und alle ebenso heiter als ernst. Leipzig verklingt allmählich in unsern Ohren. Ich verlasse es mit ganz andern Empfindungen als z. B. Bonn. Aus begreiflichen Gründen.
Adieu! Auf ein fröhliches Wiedersehn!
Euer Fritz.
Dienstag.
In den Naumburger Ferien werdet Ihr mir wohl ein Roß pumpen, daß ich meinen Reitstudien obliegen kann.