1867, Briefe 535–558
544. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
Leipzig Dienstag <Ende Juni 1867>
Liebe Mama und Lisbeth,
daß es mir nicht gut möglich war Halle zu besuchen und daß auch meine Lust darnach sehr gering war, könnt Ihr Euch denken. Auch wüßte ich keinen meiner Bekannten, der nach diesem Feste eine Sehnsucht getragen hätte. Um so besser ist es, daß Ihr Euch dabei ergötzt habt, Ihr, die noch der romantische Schimmer, der um Studenten und Professorenkomödien liegt, anziehen kann, weil Ihr nicht hinter die Coulissen dieser Welt zu sehen braucht.
Daß Sonntags der Vetter nicht kam, hatte seinen Grund in einer Schrulle des Vetters, die mir nicht deutlich geworden ist. Kurz, er wollte nicht allein nach Naumburg und gab meinen dringenden Vorstellungen nicht nach. Ob ihm das Vergnügen, mit mir zusammen nach Naumburg zu reisen, so unentbehrlich ist, weiß ich nicht. Später will er schon einmal kommen, aber mit mir. Kleiner Sachse, immer Anschluß an Norddeutschen Bund! Das war doch sonst Deine Leidenschaft nicht.
Unsre Reiter sind sämmtlich abgefallen, das heißt, bevor sie auf dem Pferde saßen. Nur Rohde hat ausgehalten. Wir beide also tummeln Nachmittags von 4—5 kräftiglich unsre Rosse und fühlen uns dabei und darnach sehr wohl. Die Erschütterung ist für den Unterleib sehr wohlthätig. Man hat Durst und Hunger und tiefen Schlaf in höherem Grade als andere Menschen. Meine dicke Hose bei einer Hitze von 30 Grad zu tragen, ist mir nicht schwer geworden.
Was nun nächstes Semester betrifft, so gedenke ich es in Berlin zuzubringen: als wohin ein Brief an Mushacke abgeht, der mir ein Logis besorgen wird. Und zwar werde ich gleich Ende August dahin absegeln. Mein ganzes Gepäck schicke ich als Frachtgut von hier aus hin. Für den Fall, daß ich Militärdienste thun will, habe ich dies doch in Berlin am Besten. Bevor ich dorthin abreise, komme ich noch einmal eine Woche nach Naumburg. Ich werde Euch auch das Bild unsres philologischen Vereins mitbringen, das besser geworden ist als das letzte und auch Ritschl sehr gefallen hat.
Bei meinen Wirthsleuten werde ich heute oder morgen kündigen. Die Rechnungen sind mir unbequem. Ich komme dabei und bei meinen sonstigen Ausgaben ins Trockne. In Berlin muß ich einmal einen bescheidenen Versuch machen Geld zu erwerben.
Heute habe ich nichts weiter zu schreiben als daß ich für weiße Wäsche und Briefe bestens danke, insgleichen mich mit Behagen der Pfingstferien erinnre. Somit lebt recht wohl!
Euer Fritz.