1862, Briefe 292–339
336. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
Porta Montag 29. Sept. <1862>
Liebe Mamma!
Immer hab ich auf einen Brief gewartet, worin ich wenigstens ein paar Glückwunschworte zu finden hoffte. Besonders Sonnabend, da Ihr doch wußtet, wann die Versetzung sein würde. Es geht mir als Primaner ganz wohl, man genießt seine vielen Vorrechte mit Wohlbehagen. Genug, ich komme Freitag Sonnab. und Sonntag in die Ferien zu Euch, da wolln wir mehr davon sprechen. Thut mir nun den einzigen Gefallen und arrangiert jenen Thee dans. von dem wir so viel geredet. Seinetwegen komme ich hauptsächlich, also etwa Sonnabend Abend müßte er sein. Ihr wißt, wen ich eingeladen wünsche. Sorgt, daß nichts abgeschlagen wird. —
Nun sendet mir so schnell wie möglich die Kiste mit folgendem: Stiefeln, Kämme (ich bin in schreckl. Unannehmlichkeit, da ich mir immer fremde Kämme borgen muß) Weste und vor allen Geld, sehr viel Geld, bedenkt, was ich als neuer Primaner alles zu zahlen habe, welche Fäßchen- Hülfs- Flotten- Klassengelder, sodann daß ich auch in Almrich Geld brauche, um nicht sobald mit dem Anschreiben anzufangen. Also 2 Thl aller-aller-mindestens. Habe ich denn nicht irgendwelche reiche Verwandte, die mich in meinem Primanerthum mit den nöthigen Geldern versehn? —
Also bitte, recht bald, ich erwarte Dienstag früh die Kiste.
Freitag auf Wiedersehn, ich freue mich entsetzlich darauf.
Ich arbeite con amore dh mit Lust und gemächlich, ohne mich zu sehr anzustrengen und indem ich mir immer die nöthigen Erholungen gönne. In Almrich spiele ich Billard, das amüsirt mich.
Meine Kopfschmerzen sind sehr selten, aber sie kommen noch. Ich schlafe jetzt besser. Die Wasserblase nehme ich nicht mehr, sie stinkt grausam.
Grüße die liebe Lisbeth von mir, insgleichen die Verwandten
Auf Wiedersehn
Dein Fr Nietzsche
N.B. Eine ganz greuliche Verlegenheit ist es, keine reinen Strümpfe mehr zu haben. Sendet mir schleunigst reine, weiße, denn blaue kann ich bei meinen kurzen Stiefeln und weißen Hosen nicht anziehen. —