1862, Briefe 292–339
316. An Rosalie Nietzsche in Naumburg
Pforte d. 11 Juni 1862.
Liebe Tante!
Ich ergreife die Gelegenheit, um dir in einigen Worten meinen herzlichen Dank für Deine so freundliche und wirklich splendide Bewirthung auszusprechen. Ich habe mich so wohl bei dir gefühlt und so angenehme Stunden verlebt, daß ich jetzt noch sehr gern an den zweiten Pfingsttag zurückdenke, so ungünstig doch das Wetter war. In gleicher Weise war die Aufnahme bei Pinders eine im hohen Grade freundliche und liebevolle. Donnerstag wirst Du von dem Photographen die Visitenkarten bekommen; Du kannst es auch mit ihm gleich über den Preis abmachen. Er weiß, daß ich ein Pförtner bin, und wie Mamma mir schreibt, zahlen Gymnasiasten blos einen Thaler. Du wählst dir also die beste aus von den Visitenkarten und behält außerdem noch zwei zurück. die übrigen 3 holt Wilhelm von dir ab, um sie mir Sonntag nach Almrich zu bringen.
Im Logis fand ich alles ganz in Ordnung; Malchen zündete noch Licht an und besorgte Waschwasser. Wie ich den Tag verlebt habe, ganz angenehm, wie sich erwarten ließ, kannst Du aus meinem Brief an die Mamma ersehen.
Leider habe ich aber weder Zeit noch Stoff, um noch länger schreiben zu können. Den letzten Sonntag also vor den Hundstagen sehen wir uns, nicht wahr? Da wollen wir alles miteinander verabreden.
Nochmals meinen herzlichsten Dank.
Dein dich innig liebender
FW Nietzsche