1862, Briefe 292–339
295. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Pforta, zweite Februarhälfte 1862>
Liebe Mamma!
Das hat mich schrecklich geärgert, daß ich Sonntag nicht nach Almrich gehen konnte. Ich bin fast ganz gesund wieder, gehe täglich etwas spazieren — Sonntag glaubte ich herüber zu können und da ich euch da zu sehn hoffte, hatte ich nicht geschrieben, um euch nicht Angst zu machen. Besonders hätte ich den Onkel Theobald so sehr gern gesehn — es ist zu schade! Ich habe deßhalb Schenk geschickt, der hoffentlich alles ausgerichtet hat. Doch davon genug!
Unsre Stücke haben wir endlich bestimmt. Es wird schon fleißig geprobt. Es sind also der Nachtwächter v. Körner, der 18jährige Oberst, worin ich die Liebhaberrolle, einen Lieutenant Henry de Blancai spiele und endlich „Jeder fege vor seiner Thür! von Schneider. Hierin spiele ich einen Procurator, eine Hauptrolle, unter andern trete ich darin betrunken auf. Ich muß nur meine Stimme etwas renoviren, die ein wenig belegt ist. Ihr könntet mir wirklich für diese Zeit, wo fortwährend Proben sind, Brustbonbons oder sonst etwas schicken; denn die Stimme ist durch das viele laute Sprechen angegriffen. Ich denke, die Stücke werden euch recht gefallen, sie sind ziemlich effektvoll. Der Nachtwächter geht schon ganz gut; jetzt proben wir den 18 jähr. Oberst.
Denkt nur, in 8 Wochen ist nun schon Ostern, ist das nicht famos? Wie steht es denn mit eurer Dresdenreise? Auf welche Zeit ist die verlegt? Soll ich nicht mitreisen, wofern es nämlich Ostern wäre? Hundstage also zum Onkel Edmund nach Gorenzen. Besorgt doch den Brief, den ich an Wilhelm geschrieben habe! Schreibt mir auch bald einmal! Ich freue mich so sehr wenn er recht ausführlich ist. Wozu denn immer nur, was geschehn ist? Du kannst mir ja auch über allerlei Gedanken und Pläne schreiben, das ist ja das Interessanteste
für Deinen Fritz.
Recht schöne Grüße an Lisbeth! Ist der Nußball immer noch Hauptinteresse?