1864, Briefe 404–458
441a. An Hermann Kletschke in Pforta
Naumburg am 9 t. S<eptember> 1864.
Hochgeehrter Herr Prediger,
Ich möchte nicht die ersten Tage eines neuen Lebens vorübergehen lassen, ohne Ihnen, wenn auch nur schriftlich, den Dank auszusprechen, den ich Ihnen schulde. Sie haben mir in den letzten Jahren meines Aufenthalts in Pforte ein Vertrauen erwiesen, das ich immer mehr und am meisten jetzt zu schätzen gelernt habe. Diesem Vertrauen hat mein Verhalten nicht immer entsprochen: ich gestehe es ein. Sie haben mir verziehen, was ich mir selber nie hätte verzeihen können. Empfangen Sie dafür noch besonders meinen Dank und erinnern Sie sich meiner, wenn es Ihnen möglich ist, freundlich, ohne bittre Empfindung. Sie haben aber auch sonst mit Rath und That mir zur Seite gestanden, über Dinge, die mir fremd waren, mir Aufklärung geboten, mir in meinem Fache, in dem ich schwach war und leider noch bin, freundlichst und mit großem Bemühen nachgeholfen: das alles und dann noch ihre stete Fürsorge für meine Zukunft verbindet mich Ihnen zu dem aufrichtigsten Danke.
Sie erlauben es mir, daß ich Ihnen dann und wann von mir Nachricht gebe und einiges über meine Studien in meiner neuen Laufbahn Ihnen mittheile: und ich kann sicher sein, daß Sie mir auch für diese Zeit Ihren guten Rath nicht versagen werden. Ich wünsche nur, daß ich Ihnen durch mein zukünftiges Leben Freude machen und auf diese Weise Ihnen einen ungenügenden Dank abstatten kann. Möge Gott im Himmel Ihnen Kraft und Gesundheit schenken, möge er Ihnen, was Sie an mir gethan, vergelten!
Ihr dankbarer Famulus
F. Nietzsche
Es empfiehlt sich Ihnen meine Mutter auf das dankbarste. —