1864, Briefe 404–458
405. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Pforta, vermutlich 11. Januar 1864>
Liebe Mamma und Lisbeth,
indem ich denke, daß dieses Schreiben Euch wieder in Naumburg antreffen wird, bitte ich Euch, mir recht bald von Euch Nachricht zu geben, damit wir uns nächsten Sonntag in Almrich treffen können. Nicht wahr, wir waren die Ferien angenehm zusammen? Ich für meinen Theil merke es wenigstens daran, daß es mir jetzt sehr unbehaglich in Pforta vorkommt. Natürlich; denn alles ist möglichst durchkältet; sonst lebe ich nur von Anderer Wohlthaten; mir höchst unangenehm, kann aber nicht anders, nicht wahr?
Den Tag in Naumburg habe ich mich noch recht leidlich befunden, obwohl die Stube durchaus nicht warm werden wollte und ich an die Füße fror; Nachmittags hatte ich mir meine Freunde eingeladen und von Madame Lurgenstein Kaffee kochen lassen; sie hat alles sehr schön gemacht und mir früh noch von ihrer Stolle vorgesetzt; danke ihr recht schön! Gustav hatte seine Violine mit, wir haben meine Composition zusammen gespielt und, sie gefiel uns beiden recht. Bei den Tanten habe ich Mittags Hasenbraten gegessen und bin sehr freundlich aufgenommen worden. Nun denke dir aber das Eine, daß ich gestern zufällig in meine Reisetasche verpackt den vermißten Brief der Tante Rosalie gefunden habe. Ich habe ihn nicht hereingepackt, mach nun damit, was Du willst, der Tante will ich es vorläufig nicht erzählen, denn sie würde sich sehr darüber betrüben, daß er nicht angekommen.
Hr. Prediger Kletschke empfiehlt sich viele mal; er ist, so viel ich gehört, in Berlin zu Weihnachten gewesen. Nächstens ist die Weihnachtsbescheerung der Adjunkten an ihre Famuli; er hat mich schon in Betreff eines sehr schönen Buches gefragt, ob ich es haben möchte. — Meine Censur ist leidlich, wie ich dir schon gesagt; indeß kann sie noch besser werden, wie sie es schon geworden ist; mit mir selber bin ich in vorigem Vierteljahr leidlich zufrieden, es kann aber auch noch besser werden, wie es ja schon geworden ist. In diesen Tagen habe ich so mein Leben im vorigen Jahre überschlagen und gefunden, daß ich viel und mancherlei gethan. Also nicht ohne Befriedigung. Mag das Nächste nur rechte Resultate geben!
Nun, viel Neues habe ich nicht erlebt; gestern habe ich Geheimrath Backs besucht; sie lassen Beide dich recht grüßen und Fräul. Bertha will selber dich besuchen.
Das Wiedertreffen aller meiner Bekannten war angenehm, bis jetzt das Angenehmste.
Doch die Arbeit ruft. Adieu, liebe Mamma und Lisbeth! Denkt oft an mich!
Fritz.
Montag, früh.